Der Genußfaktor soll die Kunden locken
Reiner Weber und Walter Kress planen eine Vermarktungsgemeinschaft für Lebensmittel aus der Region
von Jochen Mayer

Demnach soll eine Vermarktungs- gemeinschaft die geeignetste Form sein, um in der Region Heilbronn- Franken erzeugte Lebensmittel an den Mann und an die Frau zu bringen. Im Unterschied zu einer Genossenschaft sollen die Erzeuger weiterhin recht eigenständig agieren und auch ihre Direktvermarktung fortführen können. An einer einheitlichen Dachmarke tüfteln Kress und Weber gerade; erste Gespräche mit Erzeugern seien viel versprechend verlaufen, berichtet Weber. Ein genaues Datum für den Verkaufsstart gibt es noch nicht, dieser Termin hängt auch vom Verlauf der Gespräche ab.
Weber betont, dass nach der Studie - deren Kosten von 20 000 Euro das Bundesverbraucherministerium über- nommen hat - das Projekt “jetzt eine rein unternehmerische Sache ist". Finanziert werden soll es durch eine einmalige Aufnahmegebühr, einen Jahresbeitrag sowie eine Verwaltungs- und Logistikumlage der Erzeuger.
Einen Großmarkt im eigentlichen Sinn wird es nicht geben. Vielmehr wollen Weber und Kress die bestehenden Lieferstrukturen der Erzeuger nutzen und setzen dabei auf neue Synergien. Verkauft werden sollen die regionalen Agrarprodukte - sowohl Rohware wie Gemüse als auch verarbeitete Produkte wie Wurst und Wein - von selbstän- digen kleinen Händlern oder in Läden in der so genannten Vorkassenfläche von Supermärkten.
Bei der Präsentation der Lebensmittel solle der “Genussfaktor" im Vordergrund stehen, sagt Weber. “Die Produkte sollen gut aussehen, doch es sollen auch alltägliche Produkte sein." Wünsche und Bedürfnisse der Kunden sollen weitgehend berücksichtigt werden. Hier kommen wieder Kress' Kartoffeln ins Spiel, bei deren Vermark- tung der Landwirt schon wertvolle Erfahrungen gemacht hat: so steht nicht mehr “festkochend", sondern “Salatkartoffel" auf der Packung.
“Allerdings", gibt Weber Einblick in seine Konzeption, “müssen es anfangs innovative Erzeuger sein, um die nötige Aufmerksamkeit zu erreichen." Mit eher ungewöhnlichen Lebensmitteln wollen Weber und Kress das erste Sortiment der Heilbronner Vermarktungsge- meinschaft bestücken - um damit den Boden für weitere Produkte aus der Region zu bereiten.

Im Juni dieses Jahres haben die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Raum Heilbronn (WFG) und das Modellprojekt Hohenlohe aktiv eine Machbarkeitsstudie für die Vermarktung regionaler Agrarprodukte vorgestellt. Das Ergebnis: Potenzial ist vorhanden - allein es muss genutzt werden.

Walter Kress hat Kartoffeln mitge- bracht. Fünf Stück liegen vor ihm auf dem Tisch, zwei dunkelbraune, zwei hellbraune, eine rötlichbraune. Es sind eher kleine Früchte, und sollte an einer alten Volksweisheit tatsächlich ein Fünkchen Wahrheit sein, dann muss Walter Kress ein kluger Bauer sein.
Wenn es um die Vermarktung regionaler Agrarprodukte geht, kann dem 49 Jahre alten Landwirt auch kaum jemand etwas vormachen: Seit 25 Jahren ist er auf seinem Hof in Hardthausen-Gochsen Direktver- markter, seit April 2004 betreibt er zudem in Neckarsulm den Öko-Regio- Markt Naturtalent. Kress weiß, dass dies kein einfaches Handelssegment ist: “Wir wissen alle, dass wir uns in gesättigten Märkten bewegen." Daher stelle sich die Frage, wo die bäuerliche Direktvermarktung an ihre Grenzen stoße und wo sich Chancen für neue Wertschöpfung bieten.
Diese Frage beschäftigt auch Reiner Weber (48). Der Heilbronner Architekt hat lange Zeit für große Handelsketten gearbeitet, hat Konzepte für Groß- flächen-Supermärkte entworfen - von den Parkplätzen bis zu den Kühltheken für Frischwurst. Doch bei regionalen Produkten vermisst er den Großhandel. Hier hätten Großkunden wie etwa Kantinen nur die Möglichkeit, direkt bei den Erzeugern einzukaufen, was eine Vielzahl von Lieferanten und Rechnun- gen mit sich bringt. Vor zwei Jahren bereits hatte Weber das Großhandels- konzept “Nature Market" erarbeitet, mit dem eine Verkaufsstelle für regionale Erzeuger geschaffen werden sollte. “Das wurde zwar für gut befunden, aber es gab keinen Formierungsprozess", resümiert Reiner Weber den damaligen Vorstoß.
Neues Leben hat dem Vorhaben nun das Ergebnis einer Studie eingehaucht, welche die WFG in Auftrag gegeben hatte.